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Mt 5, 1-12a: Der mit-leidende Gott

 
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André Golob



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BeitragVerfasst am: 10.11.2007, 10:26    Titel: Mt 5, 1-12a: Der mit-leidende Gott Antworten mit Zitat

Allerheiligen / Allerseelen im Jahreskreis C
Eucharistiefeier, 1.11.2007, 10.00 Uhr
Kreuzkampkapelle „Verkündigung Christi“, Bottrop
Leitung und Predigt: Pfarrer Dr. André Golob
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Mt 5, 1-12a Der mit-leidende Gott

„Freut euch und jubelt", so endet der heutige Evangelientext, "Euer Lohn im Himmel wird groß sein". Lohn erhält man ja in der Regel für etwas, das man getan hat, für Arbeit oder besondere Leistungen. Das trifft bei den Seligpreisungen nicht immer zu. Denn entlohnt (in Anführungsstrichen) werden hier ja nicht nur diejenigen, die Gutes tun und Frieden stiften etc., sondern auch die, die dürsten und hungern nach Gerechtigkeit, die Trauernden, die Verfolgten – also Menschen, die sich nicht gerade um ihr Los bemüht haben.

Wir haben also zwei Kategorien von Seliggepriesenen. Auf der einen Seite, die, die durch ihre Haltung und ihr Handeln etwas bewirkt haben: z.B. die, die keine Gewalt anwenden, die Barmherzigen, die reines Herzens sind, die Frieden stiften – die Helden quasi. Auf der anderen Seite haben wir die Kategorie der armen Schweine, könnte man salopp sagen: Die Trauernden, die nach Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden, die beschimpft und verfolgt und verleumdet werden.

Es erscheint logisch, daß die Helden - die, die etwas geleistet haben, d.h. Frieden gestiftet haben oder barmherzig waren - selig gepriesen und entlohnt werden. Das ist in allen Religionen und Kulturen so, daß d i e gefeiert werden, die konsequent umgesetzt haben, was ihre Religionsstifter als das richtige ansahen - daß ist auch im Judentum so. Aber ich denke das spezifisch Christliche - und vielleicht zugleich urjüdische - liegt dort, wo diejenigen gepriesen werden, die zu ihrem Los gar nichts beigetragen haben – die von ihrem Schicksal eingeholt worden sind: die Trauernden z.B.

Was für ein Verdienst ist es zu trauern, einen Menschen verloren zu haben? Meist ist Trauern doch ohnehin etwas höchst Egoistisches. Man trauert, weil man vermißt, weil man nun allein da steht, womöglich einsam ist. Sollte man als gläubiger Mensch sich nicht freuen, daß das Leid vorbei ist, daß der Mensch nun bei Gott ist. Trauern hat egoistischen Hintergründe. Trauern ist aber auch - was das betrifft - einfach absolut ehrlich. Es tut weh, jemanden zu verlieren. Die Mutti ist gestorben, Kindheitserinnerungen kommen hoch, Erinnerungen der Nähe, des Einssein, der Geborgenheit. Nun steht man allein da, ohne Mutti, ohne den lieben Vater, ohne den Freund, die Freundin, den Partner. Vieles geht einem durch den Kopf. Was hätte man nicht alles besser machen können.

Ich besuche häufig eine ältere Dame, die vor einiger Zeit ihren Mann verloren hat. Manchmal ruft sie mich spontan und Tränen überströmt an und schildert mir eine Alltagssituation, in der sie ihren Mann gemaßregelt hat, weil er seine Pampas nicht tragen wollte oder ähnliches. Sie macht sich Vorwürfe, weil sie ein Kleid gekauft hat, das ihr Mann wohl ein wenig zu teuer fand. Hätte ich es doch damals nicht getan sagt sie mir. Trauer ist irrational, in der Trauer erkennen wir unsere Ohnmacht. Wir Menschen, die, die die Welt aus den Angeln heben können, die wir zum Mond fliegen können, die wir Weltreiche gründeten, Pestilenzen besiegten, heute sogar Lebewesen klonen können; uns wird die Grenze aufgezeigt. Jemand ist weg und der kommt nie wieder. Da können wir uns auf en Kopf stellen, keine spiritistische Sitzung, keine mathematische Formel, rein gar nichts bringt ihn zurück, auch kein Gebet. Wir schauen in die Grube, wir sehen die Urne, den Sarg hinuntergleiten und der geliebte Mensch ist weg. Ohnmächtig stehen wir dieser Tragik gegenüber und Tränen rinnen über unser Gesicht. Wir erkennen unsere Kleinheit, wie ein Kind, das seine Eltern verloren hat irren wir durch das Labyrinth der Verzweiflung. Alles erscheint uns sinnlos, erschreckend, Angst steigt in uns hoch, die Frage des Warum liegt immer wieder auf unserer Zunge.

D a f ü r preist uns Jesus selig – für unsere Trauer. Es ist kaum zu glauben. Jesus zeigt uns: Gott liebt uns weil wir leiden, Gott liebt uns um unseres Leidens willen, unserer Schmerzen willen, unserer Einsamkeit willen, unserer Verlassenheit. Im Leiden werden wir Heilige. Was für eine Neuerung – oder? Im Alten Testament haben wir Helden, wie David oder Mose – Helden, die das Volk befreit haben, es durch das Meer geführt haben, mit Vollmacht, gegen die Heiden gesiegt haben mit aller Siegessicherheit und Macht. Doch war das tatsächlich immer so? Auch Moses ist jemand, der immer wieder sagt, nein, ich bin viel zu unwürdig und zu schwach für diese Aufgabe - ich habe Angst. Ich habe so oft versagt, warum wendest Du dich mir immer wieder zu, du überlastest mich. Ähnliches äußern Hiob, Jonas und viele mehr. Gott hat ein Faible, hegt eine tiefe Liebe und Zuneigung für Menschen, die schwach sind. Sie wählt er aus, ihnen gibt er seine Macht, besonders sie erachtet er für liebenswürdig. Ganz anders als wir es in unserer Welt gewohnt sind.

Im Neuen Testament zeigt er - weil es nötig war - unmißverständlich und in aller Klarheit und Direktheit, wer er wirklich ist. Unser Gott ist ein Gott der mitfühlt, der sich mit uns solidarisiert, der sich identifiziert mit uns bis ins kleinste Detail. Am Kreuz zeigt uns Gott, daß er selbst ein zutiefst Leidender ist. Aus Liebe gibt er alle Allmacht auf – nur Barmherzigkeit und Gnade, Mitleid und Sich-klein-machen ist seine Größe. Er leidet alles mit uns mit. Er weiß was wir fühlen und denken. Gottes Ohmacht zeigt uns seine unendliche, grenzenlose Liebe. So einem Gott können und müssen wir uns Karfreitag vor die Füße werfen, denn so gering, wie er sich für uns machte, können wir uns selbst nie machen.
Wir sind nicht die Helden, die aufrecht stehen, sondern die, die Jesus ans Kreuz geschlagen haben; bestenfalls die, die mit ihm am Kreuz hängen.

Mitgefühl für die Trauernden, die Verfolgten, die Gefolterten, Gequälten, die Mißachteten, die Mißbrauchten, die Erschossenen und Erschlagenen – nur dieses Mitgefühl erweist uns als wahre Christen. Mitweinen mit denn Weinenden, sich freuen mit den Freudigen – das war mein Bibelspruch zur Diakonweihe. Gerade dieses Mitweinen und Mittrauern ist aber verdammt schwer. Man kann es nicht, wenn man sich nicht öffnet und in das Leid hineinschaut. Man kann es nicht, wenn man nicht selbst das Leiden kennt. In die Fußstapfen Jesu treten, heißt offen sein für das Leid in der Welt, es nicht zu fliehen, sondern daran die eigene Sensibilität zu schulen, Mitgefühl zu entwickeln.

Eugen Drewermann hat es einmal auf den Punkt gebracht. `Alle seelischen Heilungsvorgänge´, sagt er, `basieren auf dem Moment der Identifikation: Der Therapeut macht sich nicht nur zum Agenten des fremden Leids, er kann auch überhaupt nur die Formen seelischen Leids heilen, die er im eigenen Leben kennengelernt hat´.

Das ist das Spezifische bei Christus. Er lobt nicht nur die Rechtschaffenen, die das Gesetz und die Ethik befolgen, er lobt und liebt vor allem, die, die Leid erfahren. Weil er mit ihnen mitfühlt - aber noch mehr: er weiß, was sie durchmachen und wie sehr es die Gefühle schult und daß es uns weise macht, zu leiden. Stark zu sein ist nichts Erstrebenswertes, es ist ein Weg der Ellbogen und der Gradlinigkeit. Schwach zu werden das ist ein Weg, für den man wahrhaft stark sein muß. Schwach zu sein, zu seinen Schwächen zu stehen ist als durchliefen wir eine Schule der Herzensbildung. Aber es ist unser einziger Weg zur Menschlichkeit zurück zu finden, das wahrhaft Göttliche in uns zu entdecken. Welche Religion hat das denn schon, einen Gott, der dem Menschen so nahe kommt, das er eins wird mit ihm: in der Krippe, am Kreuz, im Grab - im Labyrinth der Einsamkeit.

Amen.
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