André Golob

Anmeldedatum: 21.10.2006 Beiträge: 129 Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): 46236 Bottrop
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Verfasst am: 06.02.2007, 23:36 Titel: Apg 6,8-10;7,54-60: Zeugnis für den Glauben |
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2. Weihnachtstag – St. Stephanus
Alt-kath. Pfarrgemeinde Bottrop, 26.12.2006, 10.00 Uhr
Kreuzkampkapelle „Christi Verkündigung“
Leitung und Predigt: Dr. André Golob
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Apg 6,8-10;7,54-60 Zeugnis für den Glauben
Das hätten wir so schnell nicht erwartet. Dem fröhlichen Feiertag der Menschwerdung Gottes folgt die Visitenkarte der Unmenschlichkeit. Brutal werden wir aus unserer Gänsebratenstimmung, unseren wohlig warmen Spekulatiusträumen gerissen und stehen am zweiten Weihnachtstag erschüttert einem zerschmetterten und blutüberströmten Leichnam gegenüber. Heute erinnern wir uns an den ersten Märtyrer, an den Diakon Stephanus, der im Steinhagel einer blindwütigen Menge zusammenbrach.
Die Apostelgeschichte nennt ihnen einen Mann voll Gnade und Kraft. Wer mit ihm streiten wollte, mußte sich gut wappnen, denn seiner Weisheit und seinem Geist war schwer zu widerstehen. Allein Verleumdung und Denunziation sollten ihn zu Fall bringen. Das Drehbuch für diese Art der Verfolgung und Menschenhetze ist bis auf den heutigen Tag aktuell geblieben. Kaum etwas hat sich geändert. In diesem Buch hier „Priester vor Hitlers Tribunalen“ (Buch wird hochgehoben) schildert die Frau des stellvertretenden Anklägers bei den Nürnberger Prozessen das Schicksal von Hunderten Geistlichen und Ordensschwestern, die für ihre christliche Überzeugung, ihren Einsatz gegen Unmenschlichkeit und Massenmord ihr Leben lassen mußten.
Die Nazis damals waren gewieft. Sie fürchteten die Entstehung von Märtyrertum sehr wohl. Man fürchtete manchem bekennenden Christen könnten jene Märtyrer zu Vorbildern werden. So verbot man z.B. die Beerdigung des Tiroler Paters Jacob Georg Gapp. Gapp war als vehementen Prediger gegen die Nazis von eben diesen hingerichtet worden. Der Chef des antikatholischen Referates – so etwas gab es damals - im Reichssicherheitshauptamt befürchtete eine öffentliche Beisetzung könne Gapp zum Märtyrer machen. Deshalb verbot er sie. Pater Gapp war wahrlich ein Stephanus unserer Zeit. Noch im Gerichtsaal rief er dem Vorsitzenden Freisler entgegen, daß ein Christ nichts anders könne als den Nationalsozialismus zu bekämpfen. Ein Mitbruder schrieb: Wie ein Granitblock ragte er vor diesen Richtern auf – sie konnten ihn töten, aber nicht brechen.
Selbst die Kulisse in diesem Inferno ähnelt der Szenerie aus der heutigen Lesung. So erscheinen auch die Voyeure des Unrechts und der Unmenschlichkeit, die schweigende Mehrheit, diejenigen die weggucken. Es ist unbegreiflich daß kein einziger Beichtspiegel diese Sünde aufführt: Ich habe nichts gemacht, ich habe nur zugeschaut.
Märtyrertum heißt Zeugenschaft für den Glauben und die Werte unserer Religion und die Bereitschaft dieses Bekenntnis bis zur letzten Konsequenz umzusetzen. Auch heute gibt es vereinzelte Märtyrer. Es sind die Helden des Alltags, diejenigen, die nicht weggucken, wenn Unrecht geschieht, diejenigen die dazwischen gehen, wenn ausländische Mitbürger drangsaliert werden und darüber hinaus selbst zum Opfer werden. Aber das sind wenige. Denn dazu gehört Mut und Rückrat.
Bei vielen beginnt der Glaube beim sonntäglichen Kirchgang und endet beim sonntäglichen Mittagessen. Wo früher Menschen starben für ihre Überzeugung und ihren Glauben, endet heute christliches Engagement dort wo es unbequem wird, wo es nicht in den Kram passt, wo christliches Engagement unhygienisch erscheint. Ich habe das in meinem Diakonatspraktikum in Essen gesehen. Da verbot der c h r i s t l i c h -demokratische Bürgermeister von Essen einen öffentlichen Gottesdienst von Obdachlosen in der U-Bahn, weil sie nicht ins gutbürgerliche Bild passen. Wie so oft wird der Begriff christlich pervertiert: Als public-relation-Gag, als Synonym für eine abendländische Kultur der Saubermänner, eine Leitkultur.
Man muß sich hüten vor jenen, die sich christlich nennen, die ihr Aushängeschild täglich polieren. Zwischen Christ sein und Christ sein klaffen mitunter tiefe Abgründe. Es ist immer schön sich mit attraktiven Attributen wie christlich, sozial usw. zu schmücken. Das machen allen voran die vielen Wölfe im Schafspelz, vor denen uns Jesu Wort warnt. Ich selbst habe bei meinem Job als Leiter eines ökumenischen Seminarhotels erlebt, wie mit dem Begriff ökumenisch unter dem Deckmantel der Nächstenliebe ordentlich Reibach gemacht wurde - auf Teufel komm raus.
Oft kommt mir das Wort des Philosophen Friedrich Nietzsche in den Sinn. Gott ist tot. Damit meint Nietzsche, daß die Menschen Gott getötet haben, weil sie meinen ihn nicht mehr zu brauchen. Der Mensch wird sich selbst zum Gott. W e n n Märtyrertum, dann nur für sich selbst. Ellbogen zeigen, kämpfen bis aufs Messer um Erfolgszahlen und Prestige.
Christentum und Jesukind bleiben da eine nette Sache, die man zu Weihnachten herausholt, dann wenn man es gemütlich haben will oder einen die Nostalgie der Kindheit ereilt. Ernst nehmen tut man es nicht und sterben will man schon gar nicht für diesen Quatsch. So irre sind ja nur die Moslems.
Die Frage steht im Raum: Wie steht es mit unserem Glauben. Was sind wir bereit für diesen Glauben zu tun, wie weit können wir gehen, wie weit können wir uns erniedrigen lassen für unsere Überzeugung. Wir müssen nicht zu Blutzeugen werden wie Stephanus oder Pater Gapp oder Dietrich Bonhoeffer oder Martin Luther King und andere. So stark sind nur wenige. Aber wir sollten sie als Maßstab nehmen, als Vorbilder – nicht abzurücken von der Botschaft Jesu, der Botschaft der Menschlichkeit, stets darauf hinzuweisen wenn Unrecht geschieht und dagegen konsequent anzugehen, wenn unser Nächster mit Füßen getreten wird. Auch und gerade dann – wenn wir vielleicht Nachteile dadurch erlangen.
Wer heute Christ sein will muß sich wappnen, muß Zivilcourage zeigen, denn wir leben in keiner christlichen Gesellschaft, sondern in einer, die sich nur noch mit christlichen Attributen schmückt aber in ihrem Kern den christlichen Werten längst adieu gesagt hat. In einer Gesellschaft, in der der Egoismus als oberste wirtschaftliche Maxime gilt, in dem es uns deshalb so gut geht, weil es anderen so schlecht geht, heißt es Sprachrohr zu werden für die Opfer dieses Logik.
Und wenn man dies tut wird man als blauäugig belächelt oder verächtlich als Traumtänzer bezeichnet. Gottlob sind die Tage vorbei wo unbequeme Männer und Frauen auf den Scheiterhaufen der „heiligen“ Inquisition endeten, nur weil sie christliche Positionen einnahmen, weil sie kritisierten und Visionen einen besseren Welt aufzeigten. Wir wollen uns nicht Christen nennen, wie so viele, sondern Christen sein.
Laßt uns die Tapferkeit und Courage der Märtyrer zum Vorbild nehmen und daran denken, daß sich dem Stephanus der Himmel öffnete, als er für sein Bekenntnis sterben musste. Als Mensch des Glaubens konnte er selbst seinen Mördern verzeihen. Hierin ist er wie Jesus. Ihm gebührt in der Tat das erste Gedenken nach Weihnachten. Auch wenn das brutale Geschehen unsere Freude über die Geburt des Christuskindes etwas überschatten mag.
Amen. |
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