André Golob

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Verfasst am: 13.09.2007, 01:25 Titel: Lk 14, 25-33: Notwendigkeit den Halt zu verlieren |
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23. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C
Alt-kath. Eucharistiefeier, 9.9.2007, 10.00 Uhr
Kreuzkampkapelle „Christi Verkündigung“, Bottrop
Leitung und Predigt: Pfarrer Dr. André Golob
Lk 14, 25-33 Notwendigkeit den Halt zu verlieren
Jesus, so berichtet uns Lukas, wurde auf seinem Weg scheinbar nicht nur von seinen Jüngerinnen und Jüngern begleitet, sondern auch von einer Menge, nennen wir sie einfach mal, Sympathisanten. Das war wohl eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Menschen. An sie wendet sich Jesus heute, an das Gros der Mitläufer, die Scharen von Sympathisanten und Unentschiedenen. Aus dieser Perspektive müssen seine heutigen Worte verstanden werden.
Mit Blick auf diese nennt Jesus die grundsätzlichen und schwerwiegenden Voraussetzung für die Zugehörigkeit zu seinen Jüngern. Was gehört dazu ein Jünger, eine Jüngerinnen Jesu zu werden? Was Jesus sagt, ist schockierend. Und das, obwohl die Einheitsübersetzung hier schon etwas entschärft. Nachfolge Christi bedeute seine eigenen Familie „gering zu achten“, formuliert die Einheitsübersetzung. Im Griechischen Original heißt es „εις τις ερχεται πρός με και ού μισει“, und „wenn jemand kommt zu mir und nicht h a ß t seinen Vater und seine Mutter und seine Frau und seine Kinder und seine Brüder und seine Schwestern, außerdem noch sein Leben, („ου δυναται ειναι μου μαθητης“) nicht kann er sein mein Jünger“. Das ist auch heute noch heftiger Tobak und für die damaligen orientalisch-jüdischen patriarchalen Verhältnisse war es noch schockierender. In dieser Kultur und Zeit spielte ja die Familie – die zehn Gebote heben es hervor - eine besonders wichtige Rolle. Vater und Mutter zu hassen, das war offener Aufruf gegen das vierte Gebot zu verstoßen: „Du sollst Vater und Mutter ehren“. Heute heißt es: „Hasse sie“. Und nicht nur sie und den Rest der Familie, auch sich selbst, gilt es zu hassen.
Das einzige was zählt ist die Zugehörigkeit zu Jesus. Jesus fordert ein. Er fordert bedingungslose Nachfolge bis in den Tod. Für die Jünger Jesu gelten andere Maßstäbe als im alltäglichen Leben. Anstelle der Sicherung des eigenen Lebens und der Lebensstandards steht die Bereitschaft sein Kreuz zu tragen – sich auf den Weg zu machen nach Golgotha.
Was ist dann mit uns heute. Wir fühlen uns schon als Jünger Jesu Christi. Aber wollen wir soweit gehen – das Zeichen eines zum Tode Verurteilten annehmen - entgegen der Ratschläge unserer Eltern und Freunde?
Würde jeder Christ die heute gehörten Forderungen konsequent erfüllen, würde ein soziales und wirtschaftliches Chaos ausbrechen, Familien würden zerrieben und alles würden auf die Gefährdung des eigenen Lebens hinauslaufen.
Betrachten wir die Evangelien in ihrer Gesamtheit, ist dies sicherlich nicht von Jesus gemeint und gewollt. Im Übrigen auch wohl nicht der Ratschlag auf jeglichen Besitz zu verzichten. Denn gerade Lukas widmet sein Evangelium, so lesen wir am Anfang im 1. Kapitel, seinem Freund Theophilus, einem recht wohlhabenden Menschen.
Was sollen dann all diese radikalen Auforderungen. Ist dies eine besonders drastische Methode des Marketing oder ein Aufschrei der Entrüstung, ein Mittel all die Sympathisanten zur einer entgültigen Entscheidung zu bringen?
Sicherlich wird uns gezeigt, daß ein bloßes Sympathisieren, quasi ein `Christsein light´, nicht ausreicht. `Christsein´ muß ernste Konsequenzen nach sich ziehen und jeder muß schauen, wieweit es ihm möglich ist zu gehen.
Ich selbst glaube, Jesus gibt uns in den ersten beiden Strophen ein Anleitung, wie wir unseren Horizont erweitern können, auf welche Weise wir uns ganz auf Christus konzentrieren und wahre Jüngerinnen und Jünger werden können. Es ist fast eine Meditationsanleitung.
Wovon empfiehlt Jesus uns zu trennen. Von Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern. Sogar unser eigenes Leben sollen wir geringachten und Besitz und Geld sowieso.
Alle diese Menschen und Faktoren sind es, die uns Halt geben, die uns Sicherheit geben, sinnliche Freuden vermitteln. Sie sind es, die scheinbar Geborgenheit und Sicherheit garantieren. Wohl fühlen wir uns bei ihnen.
Doch ihre Liebe kann uns vom Pfad Christi abbringen, uns einlullen, im kuscheligen Nest gefangenhalten, es nicht zulassen, das wir über den Rand des Nestes hinausschauen. Auch die eigene Frau, der eigene Mann, die Kinder, fixieren den eigenen Blick nach innen und verstellen ihn nach außen – Scheuklappenblick im wahrsten Sinne des Wortes.
Es gilt den Wohlstand zu sichern, möglicher Weise für die eigene Brut über Leichen zu gehen, damit es ihnen gut geht. Was mit anderen geschieht, was mit der Welt geschieht ist doch egal. Ich lebe auf der Insel der Glückseligkeit inmitten der Fluten des Chaos. Geld und Besitz spielt dabei einen entscheidenden Faktor. Wohlstand gaukelt mir Sicherheit vor und ewiges Glück, Attraktivität.
All dies sind nur scheinbare Sicherheiten – schön, wohltuend, auf eine rauschhafte Weise hypnotisierend, aber nicht der Weg Christi. Vielleicht erinnern wir uns an die Hochzeit zu Kana (Joh 2, 1-12), wo Jesus seine Mutter Maria regelrecht anschnauzt, weil sie ihm vorschreiben will, was er tun soll. Schon damals wußte er, daß seine Muter ihn von seinem Los abhalten wollte, ihn für sich haben wollte, ihn vor der wahren Welt, mit ihrem Leid, dem Kreuz, bewahren und beschützen wollte. Was habe ich mir dir zu schaffen, schreit Jesus sie an.
Wieder fragen wir uns, was sagt uns das heutige Evangelium. Sicherlich nicht, daß es darum geht seinen Altvorderen ab und zu mal übers Maul zu fahren. Nein es geht um etwas anderes. Lukas zeigt uns mit den Worten Jesu, daß es keinen Sinn macht, Halt zu finden da wo es keinen Halt gibt. Eltern sterben, Geschwister können sterben, manchmal stirbt auch die eigene Frau, der eigene Mann, und am schlimmsten ist es, wenn die Kinder sterben. So etwas gibt es aber. Gott nimmt uns alle Lieben – die Trauernden unter uns wissen das. Tod, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Konkurs, Liebesleid, Herzbrechen, Betrogenwerden – all diese individuellen Apokalypsen gehören zu unserem Leben dazu. Auch Besitz und Geld ist etwas, das einem durch die Hände gleiten kann und ist keine Garant für Glücklichsein. Auch wir selber werden irgendwann das Diesseits, so wie wir es kennen, verlassen, alles was wir liebgewonnen zurücklassen müssen. Es macht nur bedingt Sinn, im Weltlichen, im materiellen Spektakel Halt zu finden. Und es ist gefährlich, weil es den Blick auf das Leid in der Welt trübt, das Leid verklärt, seine Existenz leugnet.
Jesus will, das seine Sympathisanten endlich erkennen, wahren Halt gibt es nur in Gott. Und er, Gott, hat eine mitunter brutale Pädagogik. Manchmal nimmt er, sogar den Gerechtesten und Heiligen, allen Halt, entzieht ihnen den Boden unter den Füßen, und dies einzig und allein, damit sie erkennen, daß es wahren Halt nur bei ihm, bei Gott, gibt.
Es gilt darüber zu meditieren. Wir müssen in uns gehen und uns fragen, in wieweit lebe ich in der Welt des Scheins. Inwieweit lasse ich mich ablenken auf meinem Weg zu meinem eigenen Selbst, zu den Menschen und zu Gott. Welche Ersatzdrogen brauche ich, welche Gehhilfen und Krücken müssen noch zerbrechen, damit ich erkenne: wahren Halt gibt es nur bei ihm. Wenn ich dies erkannt habe, den Blues überwunden habe, dann darf ich auch bei meinen Lieben bleiben, meine Eltern ehren, meine Kinder küssen, mich an meinem neuen Auto erfreuen – aber erst dann, wenn ich hassen gelernt habe, wenn ich gelernt habe die Oberflächlichkeit und Eindimensionalität in meinem Leben zu entlarven, loszulassen, und den Blick zu schärfen auf das Eigentliche, den wahren Weg Jesu.
Amen |
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