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André Golob

Anmeldedatum: 21.10.2006 Beiträge: 129 Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): 46236 Bottrop
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Verfasst am: 04.09.2007, 21:20 Titel: Religionen der Welt - Teil 2: Der Caodaismus |
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Wir möchten an dieser Stelle eine Reihe starten mit dem Titel: „Über den Tellerrand geschaut – Religionen der Welt“ Es sollen hier zunächst weniger bekannte oder verbreitete Religionen und Kulturen vorgestellt werden. Denn wer kennt schon den Jainismus, den Taoismus, den Shintoismus oder so etwas wie Macumba. Darstellungen zu den bekannten Hochreligionen wie Buddhismus oder Islam werden diesen folgen. Um der Reihe eine gewisse Spannung zu verleihen, werden die einzelnen Religionen zunächst als Rätsel präsentiert. Wer errät als erster den Namen der gesuchten Religion?
Wir suchen heute ...
Spätestens seit Hermann Hesse wissen wir: der Osten atmet Religion. Und zwar seit mindestens 2500 Jahren, wenn man beim indischen Buddhismus, dem chinesischen Konfuzianismus und beim Taoismus beginnt. Diese drei alten „Religionen“ bilden die Hauptsäulen der gesuchten fernöstlichen Religion, verknüpft mit Christentum und Hinduismus. Die hierarchische Organisation dieser aus Vietnam stammenden Religion ist bis in Einzelheiten derjenigen der römisch-katholischen Kirche nachgebildet. Aber im Unterschied zur römischen Kirche können auch Frauen alle Positionen bekleiden, mit Ausnahme des Papstamtes. Zu den Heiligen dieser überaus synkretistischen und spiritistischen Religion gehören u.a. auch Sir Isaac Newton und Viktor Hugo. Wie heißt diese kleine aber expansive Religion? |
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André Golob

Anmeldedatum: 21.10.2006 Beiträge: 129 Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): 46236 Bottrop
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Verfasst am: 04.09.2007, 21:22 Titel: |
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Der Caodaismus
Papst Lē-van-Trung und der heilige Churchill -
Religion zwischen Synkretismus und Spiritismus
Man nehme vier Prisen ostasiatischer Religiosität mische diese mit einem Quentchen aus der Tüte römisch-katholischer Traditionen und schon hat man eine der jüngsten und zugleich eigenartigsten Religionsstiftungen unserer Zeit. Das in Europa seit Schopenhauer verbreitete Sympathisieren mit fernöstlichen Religionen läßt sich am Beispiel dieser synkretistisch und zugleich spiritistischen Mischreligion fortsetzen. Schon Hermann Hesse wußte: der Osten atmet Religion. Und dies seit mindestens 2500 Jahren, wenn man beim indischen Buddhismus, dem chinesischen Konfuzianismus und beim Taoismus beginnt.
Diese drei „alten Religionen“, verknüpft mit Hinduismus und Christentum, bilden die Hauptsäulen des Caodaismus. Der Name leitet sich vom annamitischen Begriff „Cao-Dai“ ab, was wörtlich soviel bedeutet wie „großer Palast“. Die Caodaisten bezeichnen hiermit ihr höchstes Wesen, das symbolisch durch ein Auge über einer Weltkugel dargestellt wird.
In Vietnam erfreuen sich seit alters her spiritistische Sitzungen großer Beliebtheit. Im Verlaufe einer solchen spiritistischen Seance offenbarte sich der Gott Cao-Dai am Weihnachtsabend des Jahres 1925 Ngo-van-Chieu, einem Beamten der französischen Kolonialverwaltung, und er erteilte zugleich den Auftrag, eine neue Religion zu gründen. Noch im selben Jahre offenbarte sich Cao-Dai einem weiteren Auserwählten, dem Geschäftsmann Lē-van-Trung. Daß der übernatürliche Auftrag, sich Ngo-van-Chieus neuer Religion anzuschließen, ausgerechnet an Lē-van-Trung erging, löste zunächst einmal beträchtliche Verwunderung aus. Denn Lē-van-Trung war als lasterhafter Mensch und hemmungsloser Opiumraucher bekannt. Um so stärker war der Eindruck seines völligen Gesinnungswandels nach seiner Berufung. Mit der Stiftung des Caodaismus begründete Ngo-van-Chieu eine eklektizistische Volksreligion, die alle großen Lehren des Ostens und des Westens zu vereinen sucht. Theologisch beruht dieser Synkretismus auf den caodaistischen Lehren von mehreren Offenbarungen (sogenannten `Amnestien´) des Gottes Cao-Dai im Laufe der Weltgeschichte. Der Caodaismus behauptet, nach den Offenbarungen durch Jesus, Buddha, Lao-Tse, Konfuzius etc. nunmehr selbst die letzte und endgültige Offenbarung des Gottes Cao-Dai zu vertreten und die gesamte Menschheit zur Erlösung zu führen. Diese heilsgeschichtliche Konzeption erlaubt es ihm das eigene Sendungsbewußtsein mit einer irenischen Haltung zu verbinden. Das geht hervor aus den Äußerungen eines caodaistischen Würdenträgers über die Stellung seiner Religion zum Christentum, über die er sagt:
Die Lehre des Moses ist die Knospe, die Lehre Christi die Blüte, der Caodaismus die Frucht. Die Blüte zerstört nicht die Knospe, die Frucht nicht die Blüte, sondern jedes folgende Stadium der Entwicklung der Pflanze ist eine Vervollkommnung des früheren Zustandes.
Die ethische Haltung des Caodaismus ist, gemäß dem 2500 Jahre alten Sittengesetz des Konfuzianismus, durch den Gedanken der allgemeinen Brüderlichkeit gekennzeichnet. Sein Motto ist: „Gott, Menschheit, Liebe und Gerechtigkeit“. Auf der Grundlage des Glaubens an eine Seelenwanderung wird Barmherzigkeit gegen Menschen und Tiere gefordert.
Gemäß der religiösen und kulturellen Rückgriffe, denen es gelingt auch Konträres zu verbinden, gestaltet sich das religiöse Leben des Caodaismus. Der Cao-Dai-Priester ist Asket, Beamter, Mönch und idealer Weise auch spiritistisches Medium. Dem Caodaismus sind kultische Handlungen genauso wenig fremd, wie liturgische Gebete oder Meditationen. Die religiöse Praxis ist aber insbesondere gekennzeichnet durch die bedeutende Rolle, welche mitternächtlichen Geisterbeschwörungen zukommt. Die angesehensten Geister und Heilige des Caodaismus sind – in einer illustren Auswahl, die den Einfluß ganz verschiedenen Kulturen erkennen läßt – der chinesische Dichter Li-Tai-Po, der Revolutionär Sun Yat-sen, die Jungfrau von Orléans, Winston Churchill, Issak Newton, Victor Hugo, Louis Pasteur sowie eine große Auswahl buddhistischer Bodhisattvas, vietnamesischer Heiliger und taoistischer Naturgeister.
Was wie eine Mischung aus religiösem Selbstbedienungsladen und Who-Is-Who des Jenseits erscheint, hat seine hierarchische Organisation bis in die kleinste Einzelheit hinein derjenigen der römisch-katholischen Kirche nachgebildet - mit der einzigen Ausnahme, daß außer dem Papstamt jeder andere geistliche Rang auch Frauen offensteht. Innerhalb der offiziellen Gründungsfestivitäten des Caodaismus im November 1926 wurde Lē-van-Trung als erster caodaistischer Papst eingeführt. Dies geschah in Tay-ninh, einer etwa 100 Kilometer von Saigon gelegenen Ortschaft - dem heutigen Sitz des Heiligen Stuhls und religiösen Zentrums des Caodaismus. Als Lē-van-Trung im Jahre 1934 starb, trat ein Konzil zusammen und wählte zu seinem Nachfolger Ho-Phap-Pham-Cong- Tac. Ihm unterstehen Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und Priester beiderlei Geschlechts. Die Größe dieser Religion wird auf weltweit fünf Millionen Anhänger geschätzt.
André Golob |
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