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Stehen, sitzen, knien, liegen

 
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André Golob



Anmeldedatum: 21.10.2006
Beiträge: 129
Wohnort (nur bei Vollmitgliedschaft erforderlich ): 46236 Bottrop

BeitragVerfasst am: 10.11.2006, 16:27    Titel: Stehen, sitzen, knien, liegen Antworten mit Zitat

Stehen, sitzen, knien, liegen

Körperhaltungen als liturgischer Ausdruck


In jeder Religion finden wir Haltungen, Bewegungen, Gesten, sogar mimischen Ausdruck. Allesamt sind sie geprägt von Intentionen, inneren Haltungen und unterstreichen nicht nur symbolhaft innere Zustände. Vieles ist geprägt vom historischen Entwicklungsstand der jeweiligen Religion, aber auch von ihrem kulturellen Umfeld. Bedauerlich ist es, wenn Haltungen sich verselbständigen, d.h. zum Selbstzweck werden und kaum noch Erinnerungen bestehen, welchen Sinn eine Geste gehabt hat und was sie ursprünglich zum Ausdruck bringen sollte.

So sollte auch uns Christen stets bewußt sein, wieso wir bestimmte Körperhaltungen im liturgischen Geschehen einnehmen. Es wäre eine degenerative und nihilierende Entwicklung, wenn Gottesdienst aus rein äußerlichen Handlungen bestünde, und ebenso fatal wäre es, wenn liturgische Praxis nur ein inneres Geschehen darstellte. Christliche Liturgie ist sinnenhafter Dialog zwischen Mensch und Gott sowie zwischen den Gottesdienstteilnehmern untereinander. Deshalb haben körperliche Zeichen Raum in unserem Gottesdienst, denn sie sind Träger von Inhalten.


Das Stehen

Im Christentum und auch in unserer konfessionell geprägten Liturgie ist das Stehen eine favorisierte Körperhaltung. Dies hat sicher auch damit zu tun, daß erst sehr spät liturgische Räume, sprich Gotteshäuser, mit Sitzmöglichkeiten ausgestattet wurden. Doch war die Entscheidung für diese Haltung durchaus und mit Blick auf die heilige Schrift theologisch reflektiert.

Im Stehen kommt die Ehrfurcht vor dem Höheren zum Ausdruck (Gen 18, 22), aber auch die von niederdrückender Furcht befreiende Freude (Dan 10, 9-11) sowie die Bereitschaft zum Hören und Gehorchen (Ez 2, 1), zum Aufbrechen (Ex 12, 11), wie dies vor allem im Stehen von Wachehaltenden spürbar wird. Die Christen übernehmen das Stehen als die normale Haltung bei Gebet und gottesdienstlicher Versammlung (Mk 11, 25; LK 22, 46) von den Juden (Mt 6,5; Lk 18,11). Sie wissen sich durch Christus befreit aus der Knechtschaft der Sünde und des Todes, durch seine Auferstehung wieder aufgerichtet. Als Söhne, nicht mehr als Sklaven, stehen sie deswegen beim Gebet in Ehrfurcht und Vertrauen vor dem Vater (Gal 4, 8; 5, 1). Stehen beim Gebet entspricht auch der wachsamen und bereiten Haltung, mit der der Christ der Wiederkunft des Herrn entgegenblickt. Zugleich wird in diesem Stehen die verheißene Zukunft (Offb 7, 9; 15, 2) gegenwärtig ergriffen; der Heiligentyp des Styliten (Säulensteher) will diese christliche Grundhaltungen ständig und dauerhaft vollziehen.

So versteht man, daß seit ältesten Zeiten die Christen in der gottesdienstlichen Versammlung (nicht unbedingt beim Privatgebet) - vor allem bei der Eucharistie - die stehende Haltung bevorzugen und für den Sonntag und die fünfzig österlichen Tage sowie für die Eucharistie das Knien nicht vorgesehen ist. In den orientalisch-katholischen Liturgien fordern die Diakone vor entscheidenden Punkten der gottesdienstlichen Handlung (Einzug, Gebet z.B.) die Gemeinde ausdrücklich auf zum gemeinsamen ehrfürchtigen Stehen. Gemäß dem alten bzw. verfälschten Verständnis des Gottesdienstes wurde damals in der abendländischen Kirche das Stehen immer mehr auf den Altardienst und die Chorassistenz eingeschränkt, während die Gläubigen, die früher dem Privatgebet oblagen, die kniende Haltung bevorzugten. Stehen blieb nur als Ehrfurchtsbrauch erhalten (beim Ein- und Auszug der Geistlichkeit) und bei der Verkündigung des Evangeliums.

Die gottesdienstliche Erneuerung legt darum Wert darauf, daß die versammelte Gemeinde ihr priesterliches Amt in spürbaren Gebärden ausübt und vor allem bei den großen Gebeten gemeinsam steht. In einigen Eucharistiegebeten heißt es ganz ausdrücklich: „Wir danken dir, daß du uns gerufen hast, vor dir zu stehen“.

Liturgische Momente des Stehens (Eucharistiefeier)
    1. Einzug bzw. Beginn und Begrüßung
    2. Kyrie und Gloria
    3. Tagesgebet
    4. Halleluja
    5. Lesung des Evangeliums
    6. Gabengebet
    7. Hochgebet
    8. Vaterunser
    9. Dankgebet
    10. Segen und Entlassungsruf
    11. Beim Auszug bzw. Schlußgesang


Das Sitzen

Mit Blick auf die Gemeinde ist das Sitzen originär eine Haltung des aufnehmenden und betrachtenden Hörens ( Lk 2, 46; 10, 39). Für die Predigthörer ist das Sitzen schon früh bezeugt ( 1 Kor 14, 30; Apg 20, 9), in der Benediktregel ist es für die Lesungen der Vigil ausdrücklich vorgesehen (Kap. 9). Nach allgemeinem Brauch sitzt man heute zu allen Lesungen und ihrem Antwortgesang, selbst wenn man dabei respondiert. Allein bei der Lesung des Evangeliums, der Frohen Botschaft Jesu Christi, steht man gewöhnlich aus Ehrfurcht auf.


Liturgische Momente des Sitzens (Eucharistiefeier)
    1. Lesung des AT
    2. Antwortgesang
    3. Lesung der Epistel
    4. Predigt
    5. Gabenbereitung
    6. Dankgesang


Das Knien und Liegen

Das Knien ist Ausdruck des persönlichen Gebets. Es ist ein allgemeinmenschlicher Brauch, der auch für Jesus Christus bezeugt ist (Mk 14, 35; Lk 22, 41). In dieser Gebärde macht der Mensch sich klein und betont seine Niedrigkeit und Kleinheit im Angesicht Gottes. Es ist, wenn man so will, ein Zeichen demütiger Anbetung und verselbständigt sich von da an zur ehrfürchtigen Kniebeuge, mit der man im Abendland seit Beginn der Neuzeit die Eucharistie, den Altar und das Kreuzbild begrüßt.

Zum anderen erwächst der Wunsch des Niederkniens dem Bewußtsein eigener Sünde und charakterisiert damit das persönliche Buß- sowie Bittgebet. Weil wir durch die Auferstehung des Herrn von der Sünde befreit sind und mit Zuversicht zu Gott, unserem Vater, beten dürfen, wird nach uraltem Brauch das kniende Beten an Sonntagen und während der fünfzig österlichen Tage nicht empfohlen. Da das Knien dem österlichen Charakter der Eucharistiefeier widerspricht, stellt es im gemeindlichen Gottesdienst eine Ausnahme dar, bietet jedoch dem Einzelnen eine Haltung bei seinem persönlichen Gebet oder der stillen Meditation.

Einzig bei der Karfreitagsliturgie ist das Knien (prostratio) auch in einem gemeindlichen Gottesdienst Usus. Doch auch dort ist diese Haltung im Angesicht des leidenden Christus Ausdruck persönlichen Empfindens und Trauerbekundung. Hier hat auch das Sich-Niederwerfen (prostratio perfecta) seine Platz: Ich mache mich klein vor dem sterbenden Christus.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Knien und Niederwerfen (bzw. Liegen) sind persönliche Ausdruckvarianten privater Frömmigkeit, im gemeindlichen Gottesdienst haben sie, außer in der Karfreitagsliturgie, sowie in Buß- oder in Weihegottesdiensten, keinen Platz.

Religiöse Momente des Kniens und Liegens
    - persönliche Buß- und Bittgebete sowie Meditationen
    - Karfreitagsliturgie
    - Bußgottesdienste
    - Weihegottesdienste



Fazit:

Alle diese Formen religiösen Tuns - ob Sitzen, Stehen oder Knien - basieren auf einer langen Entwicklungsgeschichte und sind theologisch reflektiert. Wie in jeder Gemeinschaft so muß auch in Kirche der individuelle Geschmack vor dem Respekt gegenüber gewachsenen Konventionen zurücktreten. Die obengenannten Feststellungen zur liturgischen Köperhaltung erscheinen überdies erfreulich, denn sie sind nachvollziehbar und logisch. Man stelle sich einmal kindlich vor: Man sitzt auf einer Parkbank und es öffnet sich der Himmel und Gott persönlich steigt herab. Wie verhält man sich dann – bleibt man womöglich sitzen? Die Antwort kommt aus dem Bauch!


André Golob


P.S.: Natürlich gelten die liturgischen Regeln und Konventionen nicht für behinderte oder kranke Menschen. Die Liturgie ist für den Menschen da und nicht umgekehrt!
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Helmut Paulkowski



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BeitragVerfasst am: 23.11.2006, 01:01    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Zusammenfassend kann gesagt werden: Knien und Niederwerfen (bzw. Liegen) sind persönliche Ausdruckvarianten privater Frömmigkeit, im gemeindlichen Gottesdienst haben sie, außer in der Karfreitagsliturgie, sowie in Buß- oder in Weihegottesdiensten, keinen Platz.


Dazu etwas zu schreiben liegt mir z.Zt. sehr am Herzen:

Die, die mich persönlich kennen, wissen, dass ich für alles zu haben bin.
Auch weiß ich, dass wir schon jetzt die "Auferstandenen" sind. Jeden Sonntag, nein jeden Tag. Ich bin auch nicht für die Unterwürfigkeit (hat mir schon so manches Problem gebracht). Aber:
Darf ich nun nicht mehr voll innerer persönlicher Demut vor Gott niederknien?! Muss ich wirklich beim Eucharistiegebet, für mich von äußerster Bedeutung(!), um den Altar stehen?! Kann ich nicht knien und unserem Herrn so für seine Gnade danken!
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Gode Pötter
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BeitragVerfasst am: 30.01.2007, 10:50    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Das Knien ist Ausdruck des persönlichen Gebets. Es ist ein allgemeinmenschlicher Brauch, der auch für Jesus Christus bezeugt ist (Mk 14, 35; Lk 22, 41).


Ich denke schon, dass man für sich selbst den Weg entscheiden kann und sollte, auf dem man am besten ins Gebet findet. Neben dem symbolischen "sich kleinmachen" ist das "knieend in sich versunken sein" sicherlich auch eine Möglichkeit der meditativen Gebetshaltung. Das muss einfach jeder selbst für sich entscheiden. Trotzdem finde ich es gut und wertvoll, mal etwas hintergründiges zu erfahren über Dinge, die man sonst vielleicht nur aus Gewohnheit macht.
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